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Mehr als nur Worte: Die Bedeutung von Fragen im Coaching

Was macht eine Frage im Coaching kraftvoll? In unserem neuen Blogbeitrag geht es darum, wie Haltung und echte Neugier den Unterschied machen – und wie Sie mit den richtigen Fragen die Selbstreflexion Ihrer Coachees anregen.

Was Fragen mit einer systemischeren Haltung zu tun haben

Die Wirksamkeit des Fragestellens ergibt sich nicht nur daraus, dass eine Frage einfach gestellt wird, sondern vor allem aus der Haltung, die hinter dem Fragestellen steht. Anders gesagt: Selbst die beste Frage kann ihre Wirkung verlieren, wenn der Klient oder die Klientin den Eindruck hat, der Coach interessiert sich nicht wirklich für die Antwort. Dies führt zu den ersten beiden wichtigen Haltungselementen: Neugier und Wertschätzung. Eine wertschätzende Neugier, die als aufrichtiges Interesse wahrgenommen wird, erhöht die Wirksamkeit der Frage erheblich.

Neugier und Nicht-Wissen als Haltungselemente

Ob diese Haltung gegeben ist, erkennt der Coach daran, ob ihn die Antwort des Klienten oder der Klientin tatsächlich interessiert. Es kann problematisch sein, wenn der Coach glaubt, die „richtige“ Antwort bereits zu kennen. Deshalb ist das Nicht-Wissen, die geschulte Inkompetenz, eine entscheidende Basis für das Stellen von Fragen, die aus einer Haltung der wertschätzenden Neugier resultieren. Wenn der Coach davon ausgeht, die Antwort schon zu wissen, könnte das bereits in der Formulierung der Frage durchscheinen, was im Extremfall zu Suggestivfragen führen kann.

Hypothesenbildung im systemischen Kontext

Das Prinzip des Nicht-Wissens steht in enger Verbindung mit der Hypothesenbildung im systemischen Coaching. Antworten des Coachee helfen dem Coach, Hypothesen zu entwickeln, die mit weiteren Fragen überprüft werden können. Sollte sich eine Hypothese als nicht zutreffend oder nützlich für die Klientin erweisen, so hat der Coach durch das Stellen von Fragen dennoch keinen Schaden angerichtet – vorausgesetzt, er bleibt flexibel und beharrt nicht auf seiner Annahme.

Fragen als Ausdruck beraterischer Bescheidenheit

Die Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen durch Fragen spiegelt die Bescheidenheit des Beraters wider. Ein systemischer Coach geht davon aus, dass er niemals genug über die Zusammenhänge weiß und lebende Systeme nicht direkt steuern kann. Dies führt zum Konzept der Steuerungsillusion: Da direkte Steuerung von geschlossenen, selbstorganisierten Systemen nicht funktioniert, bleibt nur die Möglichkeit, das System des Klienten zu irritieren und zu stören.

Systemische Fragen und die Konstruktion von Wirklichkeiten

Systemische Fragen haben das Potenzial, die Klientin bei der Konstruktion ihrer Wirklichkeit zu stören – insbesondere dann, wenn das Problem durch diese Konstruktion erst entsteht. Wenn Fragen dem Klienten helfen, andere Denkmuster zu entwickeln und diese annehmbar sind, dann kommen gewohnte Denkstrukturen in Bewegung.

Verwirrung als Auslöser für Veränderung

Wenn Denkmuster, die das Problem hervorgebracht haben, in Frage gestellt werden, kann es beim Klienten oder bei der Klientin zu Verwirrung kommen – ein Anzeichen dafür, dass ein Veränderungsprozess begonnen hat. Das Problem beginnt sich aufzulösen und erste Lösungsideen werden sichtbar, weil die Fragen den Möglichkeitsraum erweitert haben.

Fragen als Mittel zur Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten

Fragen bieten die Möglichkeit, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten und erweitern so die Beobachtungs- und Handlungsoptionen. Eine humorvolle Haltung des Coaches kann es der Klientin insbesondere bei provokativen oder ‚verrückten‘ Fragen erleichtern, diesen nachzugehen – und sei es zunächst nur spielerisch.

Fragen aktivieren Ressourcen und fördern Lösungen

Fragen erweitern nicht nur den Möglichkeitsraum, sondern aktivieren auch die Ressourcen des Klienten und richten den Fokus auf Lösungen. Ein systemischer Coach versucht, durch gezielte Fragen Ressourcen des Klienten zu entdecken und diese zu aktivieren – beispielsweise durch das Erfragen von Ausnahmen vom Problem.

Fragen nach Ausnahmen und die Wunderfrage

Eine lösungsfokussierte Haltung zeigt sich darin, dass der Coach nicht nur Fragen zum Problem stellt, sondern auch den Blick der Coachee auf mögliche Lösungen lenkt. Ein klassisches Werkzeug der Lösungsfokussierung ist die Wunderfrage, die hilft, gedanklich von der Problemorientierung hin zu Lösungen zu gelangen.

Der Fokus auf den Kontext und zirkuläre Muster

Ein weiterer Fokus systemischer Fragen liegt auf dem Kontext und den zirkulären Mustern im Verhalten. Diese Fragen setzen einen Kontrapunkt zur gängigen, personalisierenden Beobachtung und Ursachenzuschreibung. Beispiele hierfür sind Fragen im Rahmen der Kontextanalyse oder die sogenannte Verschlimmerungsfrage.

Fragen als Beobachtungswerkzeug für Coach und Coachee

Durch den Coachingprozess entsteht ein soziales System, in dem der Coach und der/die Coachee gemeinsam beobachten, wie das Problem beobachtet wird. Durch diese „Beobachtung zweiter Ordnung“ werden die blinden Flecken der ersten Beobachtung sichtbar, was die Möglichkeit für neue Perspektiven schafft.

Neutralität und Fragen als Arbeitswerkzeug

Fragen ermöglichen es dem Coach, inhaltlich neutral zu bleiben und problemneutral zu agieren. Der Coach fördert Veränderungsneutralität, indem er den Klienten dazu bringt, über die Fragen nachzudenken, anstatt die Arbeit selbst zu machen. Die Beziehungsneutralität wird durch die gezielte Verteilung der Aufmerksamkeit auf alle Beteiligten in Mehrpersonen-Konstellationen gestärkt.