Die konstruierte Realität: Zentrale Prinzipien des systemischen Denkens

Das systemische Denken bietet einen neuen Blickwinkel auf komplexe Probleme und Situationen. Die zentralen Prinzipien dieses Ansatzes helfen dabei, die Welt um uns herum besser zu verstehen und effektiver darauf zu reagieren. Im Folgenden werden diese Prinzipien näher erläutert:

1. Fokus auf Relationen: Anstatt isolierte Eigenschaften zu betrachten, richtet das systemische Denken den Blick auf die Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems. Es legt Wert darauf, die Interaktionen und Kommunikationsmuster zwischen den Akteuren zu verstehen, da diese entscheidend für das Verhalten und die Dynamik des Systems sind. Das Verhalten wird daher immer im Kontext betrachtet.

Beispiel: In einem Unternehmen kann das systemische Denken helfen, die zwischenmenschlichen Beziehungen und Kommunikationsmuster innerhalb eines Teams zu verstehen. Anstatt sich ausschließlich auf die individuellen Eigenschaften der Mitarbeiter zu konzentrieren, werden die Wechselwirkungen und Beziehungen zwischen ihnen analysiert. Dies ermöglicht es, Konflikte und Missverständnisse besser zu erkennen und gezieltere Maßnahmen zur Verbesserung des Teamklimas zu ergreifen.

2. Wirklichkeit als Konstrukt: Gemäß dem Prinzip von Maturana wird betont, dass die Wirklichkeit durch die individuelle Beobachtung konstruiert wird. Jeder Beobachter hat seine eigene Logik und Interpretation der Realität, was zu einer Vielfalt von Perspektiven führt. Dies unterstreicht die subjektive Natur der Wahrnehmung und eröffnet Möglichkeiten für verschiedene Interpretationen derselben Situation.

Beispiel: Wenn verschiedene Abteilungen in einem Unternehmen eine neue Geschäftsstrategie betrachten, kann das systemische Denken dazu beitragen, die unterschiedlichen Perspektiven und Interpretationen dieser Strategie zu verstehen. Jede Abteilung hat ihre eigene Logik und Prioritäten, die ihre Wahrnehmung der Situation beeinflussen. Durch die Anerkennung dieser Vielfalt von Perspektiven können Konflikte vermieden und die Akzeptanz der Strategie verbessert werden.

3. Nicht-steuerbare lebende Systeme: Systeme folgen ihrer eigenen inneren Logik und reagieren auf ihre Umgebung auf ihre eigene Weise. Das bedeutet, dass lebende Systeme nicht vollständig kontrolliert werden können. Sie haben ihre Autonomie und treffen Entscheidungen basierend auf ihrer internen Dynamik und den äußeren Einflüssen, die auf sie wirken.

Beispiel: In einem ökologischen System kann das systemische Denken helfen zu verstehen, wie verschiedene Arten miteinander interagieren und wie sich Veränderungen in der Umwelt auf das gesamte Ökosystem auswirken. Selbst wenn der Mensch versucht, bestimmte Arten zu kontrollieren oder zu manipulieren, können unerwartete Auswirkungen auftreten, da das System seine eigene Logik und Dynamik besitzt. Ein systemischer Ansatz ermutigt daher dazu, das Ökosystem als Ganzes zu betrachten und die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Elementen zu berücksichtigen.

=> Diese Prinzipien stellen einen Paradigmenwechsel dar, der einen Abschied von traditionellen Vorstellungen von Objektivität, Kausalität und Kontrolle bedeutet. Sie fordern uns heraus, unsere Sichtweise zu erweitern und uns der Komplexität und Vielfalt in der Welt bewusst zu werden. Indem wir diese Prinzipien in unserem Denken und Handeln berücksichtigen, können wir effektivere Strategien zur Bewältigung komplexer Probleme entwickeln und eine nachhaltige Veränderung auf individueller und gesellschaftlicher Ebene fördern.

 

 

Konflikte als Chance: Ein Wegweiser durch das Konfliktmanagement plus 5 Möglichkeiten der Konfliktbewältigung in Unternehmen

Konflikte sind ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Miteinanders.

Ob im Berufsleben, in der Partnerschaft oder im Alltag – überall, wo Menschen aufeinandertreffen, kann es zu Meinungsverschiedenheiten und Interessenkonflikten kommen.

Während viele den Begriff Konflikt negativ assoziieren, birgt er auch eine große Chance für persönliches Wachstum und die Entwicklung stärkerer Beziehungen.

Im Mittelpunkt des Konfliktmanagements steht die Idee, Konflikte nicht als unüberwindbare Hindernisse zu sehen, sondern als Chance, die Kommunikation zu verbessern, das Team zu stärken und das gegenseitige Verständnis zu fördern.

 

Die Entstehung von Konflikten verstehen

Konflikte entstehen, wenn Bedürfnisse, Wünsche oder Werte von Einzelpersonen oder Gruppen aufeinanderprallen. Dies kann zu Missverständnissen, Frustration und manchmal zu offenem Widerstand führen. Es ist wichtig zu erkennen, dass Konflikte nicht immer offensichtlich sind. Sie können unter der Oberfläche schwelen und unbehandelt zu einem Flächenbrand führen. Wie Friedrich Glasl bemerkte: „Konflikte sind oft wie Eisberge – nur ein kleiner Teil ist sichtbar, während der Großteil unter der Oberfläche verborgen bleibt.“ Daher ist es essenziell, Konflikte frühzeitig zu erkennen und angemessen zu adressieren.

 

Strategien des Konfliktmanagements

Effektives Konfliktmanagement erfordert das Verständnis verschiedener Strategien und die Fähigkeit, die für die jeweilige Situation am besten geeignete Methode auszuwählen.

 

Die häufigsten Strategien sind:

Vermeidung: Manchmal kann es sinnvoll sein, einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, vor allem wenn es sich um Nebensächlichkeiten handelt oder wenn man Zeit braucht, um die Wogen zu glätten.

Anpassung: In Situationen, in denen die Beziehung wichtiger ist als der Konfliktgegenstand, kann Nachgeben eine effektive Lösung sein.

Kompromiss: Ein gegenseitiges Zugeständnis, bei dem beide Parteien etwas aufgeben, um zu einer akzeptablen Lösung zu gelangen.

Kooperation: Dieser Ansatz sucht nach einer Win-Win-Lösung, bei der die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden.

Konfrontation: Manchmal ist es notwendig, sich einem Konflikt direkt zu stellen, um eine langfristige Lösung zu finden, insbesondere wenn wichtige Prinzipien oder Werte auf dem Spiel stehen.

 

💡 Kommunikation ist das Herzstück der Konfliktbearbeitung.

Eine offene, ehrliche und respektvolle Kommunikation kann Missverständnisse ausräumen und zur Klärung von Differenzen beitragen. Aktives Zuhören, Einfühlungsvermögen und der Wille, die Perspektive des anderen zu verstehen, sind für den Erfolg entscheidend.

 

Konfliktmanagement in der Praxis

Hier 5 Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung:

Mediation:

Mediation ist ein strukturiertes, freiwilliges Konfliktlösungsverfahren, bei dem eine neutrale dritte Person, der Mediator, den Parteien hilft, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Der Mediator fördert die Kommunikation zwischen den Parteien, hilft ihnen, ihre jeweiligen Bedürfnisse und Interessen zu verstehen und unterstützt sie dabei, eigene Lösungen für ihren Konflikt zu entwickeln. Es gibt kein Schuldprinzip, die Bewertung vergangener Handlungen tritt in den Hintergrund.

Moderation:

Im Coaching bezieht sich Moderation auf den Prozess, in dem ein Coach oder Moderator Gruppendiskussionen oder Aktivitäten leitet, um bestimmte Ziele oder Ergebnisse zu erreichen. Im Gegensatz zur Mediation, bei der die Konfliktlösung im Vordergrund steht, konzentriert sich die Moderation auf die Strukturierung und Steuerung von Gruppenprozessen, um eine effektive Kommunikation, Ideenfindung, Problemlösung oder Entscheidungsfindung zu fördern.

Der Moderator im Coaching fungiert als neutraler Vermittler, der Techniken einsetzt, um sicherzustellen, dass alle Teilnehmer gehört werden, die Diskussion auf Kurs bleibt und die Gruppe konstruktiv zusammenarbeitet.

Konfliktmanagement – Supervision:

Der Supervisor fungiert als neutraler, außenstehender Berater, der den Supervisanden hilft, die Ursachen von Konflikten zu erkennen, eigene Verhaltensmuster und die der anderen Beteiligten zu reflektieren und neue Perspektiven und Handlungsoptionen zu entwickeln. Ziel ist es, die Kommunikation und Kooperation zu verbessern, die Lösungskompetenz der Beteiligten zu stärken und eine nachhaltige Konfliktbewältigung zu erreichen.

Coaching:

Konflikt-Coaching ist ein personalisierter Ansatz, der es Einzelpersonen ermöglicht, ihre Fähigkeiten im Umgang mit Konflikten zu verbessern. Dabei arbeitet ein Coach direkt mit einer Person (dem Coachee) zusammen, um Konflikte im beruflichen oder privaten Umfeld besser zu verstehen, zu bewältigen und zu lösen. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Kompetenzen, die es dem Coachee ermöglichen, effektiver zu kommunizieren, Perspektiven zu wechseln, Verständnis für die Positionen anderer zu entwickeln und konstruktive Lösungen für Konfliktsituationen zu finden.

Teambildung:

Teambuilding bezeichnet eine Reihe von Aktivitäten und Prozessen, die darauf abzielen, die Zusammenarbeit und die Beziehungen innerhalb einer Gruppe zu stärken. Ziel ist es, Vertrauen, Kommunikation und Kooperation zwischen den Teammitgliedern zu fördern, um die Effektivität des Teams insgesamt zu steigern. Teambuilding kann verschiedene Formen annehmen, von strukturierten Workshops bis hin zu spielerischen Übungen, in denen die Teilnehmer lernen, wie man am besten mit Konfliktsituationen umgeht.

 

Fazit:

Insgesamt sind Konflikte nicht per se etwas Negatives. Sie bieten die Chance, Verständnis und Zusammenarbeit zu vertiefen. Wie Helen Keller sagte: „Ein Konflikt ist wie ein Feuer – es kann zerstören, aber auch reinigen und stärken.“ Durch effektives Konfliktmanagement können Menschen und Organisationen lernen, Konflikte als Chance zur Weiterentwicklung zu nutzen und eine Kultur der Offenheit, des Respekts und der kontinuierlichen Verbesserung zu fördern.

New Leadership – Was ist eigentlich das Neue daran?

Empowered, führungslos, selbstorganisiert – Wie auch immer ihr es nennen möchtet. Vielen Führungskräften, deren Unternehmen auf den Agilitäts- oder New-Work-Zug aufspringen, zittern die Knie. Wird ihre Position etwa überflüssig? Wie definiert sich die Rolle der Führungskräfte, wenn die Verantwortung nun an die Mitarbeitenden übertragen wird.

Die große Unsicherheit

Das Thema Führung ist schon spannend. Viele Verantwortliche fragen sich, wie sie die Verantwortungsübernahme der Mitarbeitenden stärken können.

So auch der Bereichsleiter eines Maschinenbau-Unternehmens, mit dem ich kürzlich gesprochen habe. Er erkennt genau, dass sein Bereich der Dynamik der Märkte und den Anforderungen seiner Kunden nur gerecht werden kann, wenn seine Mitarbeitenden flexibel und eigenverantwortlich agieren.

Gleichzeitig steht er ratlos vor der Frage, wie genau er das erreichen kann. „Wir stecken in unserer eigenen Komplexität fest.“ „Wir fühlen uns wie die Maus vor der Mausefalle.“ – so einige seiner Aussagen.

Den Mitarbeitenden geht es nicht anders. Die Vielfalt der möglichen Führungsrollen, die sie einnehmen könnten, ist beeindruckend. Unternehmen sprechen heute von Scrum Mastern, Product Ownern, Agile Coaches, Agility Master, Chapter Leads etc.

Wen wundert es, dass in vielen Unternehmen eine Rollenkonfusion entsteht, insbesondere im Transformationsprozess vom alten zum neuen Führungsverständnis.

Viele Unternehmen stolpern geradezu in solche Transformationsprozesse. Der Ruf nach Verantwortungsübernahme, Selbstorganisation und Selbstführung der Mitarbeitenden wird verwechselt mit dem Alleinlassen der Mitarbeitenden. Was bleibt, ist eine große Unsicherheit. Die Unternehmen bieten den Menschen häufig keine große Unterstützung, um mit dieser Unsicherheit umzugehen.

Wie können wir allen Beteiligten mehr Sicherheit dabei geben, mutige Schritte in Richtung einer Verantwortungskultur zu gehen? Lasst uns zuerst einen Blick darauf verwerfen, wie sich Führung verändert.

 

Führung neu gedacht

Führung wurde in den Organisationen häufig als positionsbezogenes Konzept verstanden und gelebt. Ausgestattet mit formaler Macht durch eine Position, sei es die des Geschäftsführers, Bereichsleiters, Abteilungsleiters, Teamleiters oder Projektleiters, war das Management in der Lage, Führung auszuüben. Führung als sozialer Beeinflussungsprozess wurde so trivialisiert und an formale Macht gekoppelt. Ich selbst verstehe das eher als Steuerung statt Führung.

Es ist offensichtlich, dass zentralistische Führungskonzepte den Ansprüchen der heutigen Zeit nicht mehr genügen können. Führungskräfte werden häufig zum Engpass, da die Komplexität und Dynamik des wirtschaftlichen Geschehens immer häufigere Entscheidungen in immer kürzerer Zeit verlangen.

Zeit also für ein neues Verständnis von Führung. Einer Führung, die nicht an formal-hierarchische Führungspositionen geknüpft ist, sondern von den Mitarbeitenden selbst übernommen wird. Führung wandelt sich heute von einem positionsbezogenem zu einem personen- bzw. rollenbezogenen Konzept.

Der neue Führungsdreiklang

Der Schlüsselbegriff heißt Shared Leadership, also geteilte Führung. Führung ist nicht länger nur auf eine Person, die Führungskraft konzentriert. Stattdessen kann jeder im Team Führung übernehmen, themenbezogen und im Sinne der gemeinsamen Team- oder Organisationsziele. Geteilte Führung ist ein dynamischer und interaktiver Beeinflussungsprozess, der nur stattfindet, wenn der Führungshandelnde mit seinen Führungsimpulsen auf Resonanz stößt. Konzepte zur rollenbezogenen Verteilung der Führungsaufgaben unterstützen die Akzeptanz der jeweils führenden Person.

Verschiedene Frameworks bzw. Organisationsdesigns, wie beispielsweise Scrum, das Spotify Modell, die Kreisorganisation, soziokratische Ansätze wie Holacracy – oder das in Deutschland entstandene Pendant des kollegial geführten Unternehmens – nutzen Rollenkonzepte, um verteilte Führung auf der Ebene der Mitarbeitenden zu institutionalisieren. Häufig werden dabei drei Formen der Führung unterschieden, die auf die Mitarbeitenden verteilt werden: die fachliche Führung, die prozessuale bzw. teamorientierte Führung und die operative Führung.

Die Rolle der fachlichen Führung hat zur Aufgabe, dem Team fachliche Orientierung im Sinne von Zielen und Anforderungen zu geben. Die Rolle der prozessualen bzw. teamorientierten Führung ist dafür verantwortlich, dass das Team Rahmenbedingungen hat, um effizient und erfolgreich arbeiten zu können. Dazu gehören Aufgaben wie Teambildung, Moderation von Meetings, Coaching und die Beseitigung von Hindernissen, die das gemeinschaftliche Ziel gefährden könnten. Die operative Führung im Sinne der operativen Steuerung der Aufgabenbearbeitung übernehmen die mit diesen Tätigkeiten betrauten Mitarbeitenden selbst. Dabei nutzen sie häufig agile Methoden, wie beispielsweise Stand-Up Meetings zur Abstimmung und Kanban-Boards zur visuellen Darstellung und Verfolgung des Arbeitsstandes.

Die Führungsaufgaben aus dem beschriebenen Führungsdreiklang der fachlichen, prozessualen und operativen Führung können durch drei Rollen unter den Mitarbeitenden verteilt werden.

Wie sieht es nun mit der disziplinarischen, formal-hierarchischen Führung aus? In selbstorganisierten Kontexten wird häufig über flache Hierarchien gesprochen. Der Verzicht auf formale Hierarchien ist jedoch eher selten. In den meisten Organisationsdesigns gibt es durchaus formale Führungskräfte, jedoch mit einem völlig anderen Selbstverständnis.

Diese Führungskräfte sehen sich verantwortlich dafür, ihre Mitarbeitenden zu entwickeln und sie zur Verantwortungsübernahme, Selbstorganisation und Selbstführung im Sinne des beschriebenen Führungsdreiklangs zu befähigen. Sie schaffen den Rahmen für eine dynamische Steuerung des Unternehmens, sorgen für einen transparenten Umgang mit Informationen und unterstützen die Kommunikation und Vernetzung der Mitarbeitenden.

Unternehmen mit einem solchen Führungsverständnis haben einen Paradigmenwechsel vollzogen, von Fremdsteuerung zur Selbststeuerung, von Fremdverpflichtung zur Selbstverpflichtung und von Fremdkontrolle zur Selbstkontrolle. Sie haben verstanden, dass man zwar Aufgaben im Push-Verfahren zuteilen kann, wenn es sein muss mit formaler Macht. Verantwortungsübernahme verweigert sich jedoch diesem Push-Prinzip. Verantwortung können sich Mitarbeiter nur selbst nehmen, sofern sie den Rahmen und das Angebot dazu erhalten.

Die Herausforderungen der Transformation

Was sagte noch mal der Bereichsleiter? „Wir stecken fest.“ Damit drückt er eine Ratlosigkeit aus, die ich sehr gut nachvollziehen kann. Denn er ahnt die Tragweite der Veränderung, die er sich wünscht. Es ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel, denn Selbstorganisation und das damit verbundene Führungsverständnis stellt eine Veränderung auf der Ebene der Identität einer Organisation und der Menschen dar. Grundannahmen, die bislang für selbstverständlich galten, sollen verlernt werden: „Es gibt immer einen Chef.“ „Einer muss sagen, wo es lang geht.“ „Es kann nicht funktionieren, wenn jeder macht, was er will.“ … Identitätsveränderungen sind verbunden mit Ängsten und Unsicherheit.

In einem anderen Workshop hat eine Teilnehmerin es deutlich zum Ausdruck gebracht: „Ich finde Selbstorganisation und die neuen Führungsansätze wirklich gut. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie von ganzem Herzen annehmen kann. Ich habe 15 Jahre gearbeitet, um dort hinzukommen, wo ich bin.“ Sie hatte damit den Mut, das auszusprechen, was viele Führungskräfte bewegt: Was bedeutet die Stärkung der Mitarbeiterverantwortung für meine Rolle? Führung verändert sich, das ist keine Frage. Es geht aber explizit nicht darum, Führung und damit Führungskräfte überflüssig zu machen.

Auch die Mitarbeitenden erleben eine Veränderung ihres Selbstverständnisses. Vom Ausführungsgehilfen zum Gestalter und Träger von Verantwortung. Sie fragen sich: „Was genau ist nun meine Rolle?“ „Was soll, muss bzw. darf ich?“ „Kann ich den Anforderungen gerecht werden?“ „Was geschieht, wenn etwas schiefläuft?“ „Möchte ich die Verantwortung tragen?“.

Sorgen, Ängste lassen sich nicht vermeiden, wenn es an die eigene Identität geht. Bisher geltende Grundannahmen und geteilte Werte aufzugeben und zu verlernen, bedeutet, Inkompetenz bzgl. des Neuen und Unsicherheit willkommen zu heißen. Das Lernen auf der Verhaltens- und Fertigkeitsebene ist deutlich leichter als das Lernen auf der Identitätsebene.

Okay. Und was nun? Eines ist klar, für diese Art der Transformation kann es keine Blaupause geben. Die eigene Identität ist immer einzigartig und muss durch jede Organisation und deren Führungshandelnde selbst erkundet werden. Der Weg zur geteilten Führung ist ein Prozess, der nur schrittweise gegangen werden kann. Die gute Nachricht ist: Beim Gehen findet sich die Lösung. Hier einige Ansätze, die sich aus unserer Erfahrung auf diesem Weg bewährt haben.

 

Das Unbekannte in Schutzräumen erfahrbar machen

Unternehmen bestehen nur dann, wenn sie erfolgreich sind. Mitarbeitende und Führungskräfte spüren diesen Druck. Sie wissen, sie müssen „performen“ und versuchen, Fehler zu vermeiden. Nur wenige Unternehmen haben es geschafft, statt der viel beschworenen Fehlerkultur eine wirkliche Lernkultur zu entwickeln. Und doch braucht es genau diese, wenn Mitarbeitende und Führungskräfte das alte Rollenverständnis ablegen und verlernen möchten, um die neuen Ansätze der geteilten Führung zu erlernen. Alle Beteiligten begeben sich auf neues Terrain, auf dem nur wenige Wege vorgezeichnet sind. Nur durch erfahren, erfühlen und in Resonanz gehen mit der neuen Art der Führung können die Beteiligten schrittweise eine neue Identität entwickeln.

Bei einem Windanlagenhersteller, den wir begleitet haben, hatte ein Abteilungsleiter des F&E-Bereichs den Schutzraum für diese neuen Erfahrungen geöffnet. Er wollte wissen, wie die Arbeit in seiner Abteilung gelingt, wenn er sich ganz bewusst zurückhält und seine Mitarbeitenden lediglich von Störungen freihält. Die ersten Erfahrungen waren positiv. Das Team war so produktiv wie schon lange nicht mehr. Die operative Führung hat das Team mit Werkzeugen wie Kanban Boards und Stand-Up Meetings etc. selbst übernommen. In einem Workshop zuvor war der Abteilungsleiter noch sehr skeptisch, ob die Selbstführung seines Teams funktionieren kann. Und dennoch hat er den Versuch gewagt und damit für alle Beteiligten eine Lernerfahrung ermöglicht.

 

Kleine Schritte und Experimente

Allerdings war nicht alles perfekt. Die gut gemeinte Intention des Abteilungsleiters, sich zurückzuhalten, führte dazu, dass dem Team fachliche Orientierung fehlte. Diese Aufgabe hatte in der Vergangenheit der Abteilungsleiter selbst inne und hat sie im Versuch, die Selbstorganisation zu stärken, vernachlässigt. Sich zurückzuhalten bedeutet nicht, sich zurückzuziehen. Von der Übersteuerung kam es zur Untersteuerung des Teams, da nicht geklärt war, wer diese Führungsaufgabe übernimmt.

Und dennoch ist Selbst-Erfahrung in kleinen Schritten der Schlüssel, auch wenn sich der Weg wie ein Schotterweg anfühlt, sich womöglich als Irrweg herausstellt oder in einer Sackgasse mündet.

Das beschriebene Beispiel zeigt eine typische Herausforderung, die ich immer wieder bei der Einführung von selbstorganisierten Strukturen erlebe. Neue Rollen wie die im Führungsdreiklang beschriebenen, werden etabliert und gleichzeitig wird das Verlernen der alten Führungsrollen unterschätzt. Im Beispiel wurde versäumt, explizit zu klären, wer die fachliche Führung des Teams übernimmt. Bleibt dies Aufgabe des Abteilungsleiters? Oder wird diese Aufgabe durch die Mitarbeitenden selbst wahrgenommen? Um diese Rollenkonfusion aufzulösen und neue Führungsrollen zu etablieren, braucht es eine kontinuierliche Selbstreflexion.

 

Kontinuierliche Selbstreflexion in Form von Retrospektiven

Wenn Unternehmen sich auf die Suche machen, explorativ neue Ansätze auszuprobieren, sind regelmäßige Reflexionen bzw. Retrospektiven essenziell. Nur so findet Lernen statt. Ich kenne keine Organisation, die sich auf den Weg gemacht hat, neue Führungsansätze zu etablieren, und von sich behauptet, am Ziel angekommen zu sein. Transformationen dieser Art sind nie zu Ende. Deswegen braucht es die kontinuierliche Selbstreflexion.

Agile Teams wissen um die möglichen Dynamiken und Stolpersteine der Selbstführung und Selbststeuerung. Eine regelmäßige Reflexion in Form von Retrospektiven zu institutionalisieren, ist daher enorm wichtig. Retrospektiven dienen dazu, das Zusammenwirken aller beteiligten Rollen zu reflektieren und kontinuierlich zu verbessern. Insbesondere die Regelmäßigkeit dieser Retrospektiven sorgt für eine kontinuierliche Verbesserung. Dabei geht es nicht nur um die Klärung von Rollendefinitionen. Hier ist der Ort, an dem auch soziale Dynamiken thematisiert und geklärt werden können.

 

Erfolg entsteht gemeinsam

Neue Führungsansätze wie der Dreiklang der geteilten Führung ermöglichen es, die Verantwortungsübernahme der Mitarbeitenden zu stärken. Verantwortung kann man jedoch nicht verordnen. Ebenso wenig lässt sich Selbstorganisation top-down einführen. Wenn wir die Menschen wirklich als Gestalter ernst nehmen, dann können wir den Weg nur gemeinsam gehen. Mit allen Beteiligten, den Führungskräften ebenso wie den Mitarbeitenden.

Autor: Christoph Bauer

Wer hat’s erfunden…? Entdecke die Pionier:innen der systemischen Beratung! Diesmal: Paul Watzlawick

Paul Watzlawick (1921-2007) war einer der international bekanntesten Pioniere der Familientherapie, System- und Kommunikationstheorie und konstruktivistischen Philosophie. Sein Einfluss auf die Entwicklung & Verbreitung der systemisch-konstruktivistischen Ideen kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Einige seiner 22 Bücher erreichten ein Massenpublikum und wurden in 80 Sprachen übersetzt. Das wohl bekannteste Werk ist die ‚Anleitung zum Unglücklichsein‘.

Watzlawick wurde in Österreich geboren und studierte in Venedig. Er promovierte im Fach Philosophie und schloss anschließend eine Ausbildung in Psychotherapie am Carl-Gustav-Jung-Institut Zürich ab. Bei seinem Aufenthalt in Indien kam er mit der indischen Philosophie in Kontakt. 1957 nahm er einen Ruf an den Lehrstuhl für Psychotherapie der Universität El Salvador an. Drei Jahre später führt ihn sein Weg an das neu gegründete Mental Research Institute (MRI) in Palo Alto, Kalifornien. Dort wurde er in den folgenden 46 Jahren zu einer prägenden Figur.

Die Theorien von Gregory Bateson und die Arbeiten von Don Jackson führten bei Watzlawick zu einer radikalen Abkehr von der Psychoanalyse: Statt mit der vergangenheitsorientierten Analyse von Individuen beschäftigte er sich fortan mit gegenwartsbezogenen, paradoxen Interventionen und zirkulären Fragen, die darauf abzielten, die Muster gestörter Beziehungen zu unterbrechen. Für die damalige Zeit revolutionär war die Schizophrenie-Forschung, die die Schizophrenie nicht als intrapsychische Krankheit, sondern als Ergebnis einer paradoxen Kommunikationsstruktur betrachtet. Daraus entstand die berühmte Double-Bind-Theorie.

Wohl am bekanntesten sind die 5 Axiome der Kommunikation, mit denen er den Systembegriff von Bateson in eine allgemein verständliche Form überführt. Aktuelle Kommunikationstheorien basieren auf diesen Axiomen. Insbesondere die Unterscheidung von Inhalts- & Beziehungsebene und der Umstand, dass man nicht nicht kommunizieren kann, haben fast schon den Status von Allgemeinwissen erlangt.

Ein großer Verdienst von Watzlawick liegt darin begründet, dass er die vielen Ideen der damaligen Pionierzeit am MRI in seinen humorvollen und verständlichen Büchern einer Allgemeinheit zugänglich gemacht hat. Insbesondere die abstrakten Konzepte von Bateson, aber auch von Erickson, Jackson und anderen, wurden auf diese Weise einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Seine immense, weltweite Vortragstätigkeit trug zusätzlich zur Bekanntheit systemisch-konstruktivistischer Konzepte bei.

Die Bedeutung von Paul Watzlawick für die systemische Beratung liegt in seiner Betonung der Kommunikation, der Beziehungen und der Muster in sozialen Systemen. Watzlawicks Erbe lebt in der Arbeit von Therapeuten, Beratern und Coaches weltweit weiter.

#kurzundknapp: ANSCHLUSSFÄHIGKEIT

In unserer Reihe #KurzundKnapp konzentrieren wir uns auf die systemische Beratung und das systemische Coaching. Wir erläutern grundlegende Begriffe & Basics in prägnanten Texten mit bis zu 3000 Zeichen.

💡 Anschlussfähigkeit

Das ist die Fähigkeit des Coaches, sich nahtlos bei Interventionen (das sind gezielte Maßnahmen oder Techniken, die ein Coach einsetzt, um Veränderungsprozesse beim Klienten zu unterstützen oder Impulse für neue Denk- und Verhaltensweisen zu setzen) im Coaching auf den Klienten einzustellen.

Er sollte dessen

✔️ Sprache
✔️ Emotionen und
✔️ Bedürfnisse
erkennen und darauf reagieren.

💡 Es kommt darauf an, dass sie einen Unterschied machen, der einen Unterschied macht (Bateson).

Wer hat’s erfunden…? Entdecke die Pionier:innen der systemischen Beratung! Diesmal: Salvador Minuchin

𝐒𝐚𝐥𝐯𝐚𝐝𝐨𝐫 𝐌𝐢𝐧𝐮𝐜𝐡𝐢𝐧 (1921-2017), Begründer der Strukturellen Familientherapie und einer der großen systemischen Denker. Seine Arbeit wurde von seiner Biografie geprägt. Als Sohn jüdischer Einwanderer in Argentinien und somit Mitglied einer Minderheit wurde sein Blick für soziale Gerechtigkeit sensibilisiert. So kümmerte er sich auf seinen späteren beruflichen Stationen meist um benachteiligte Jugendliche und deren Familien. Seine Kindheit war geprägt von der Dynamik einer patriarchalen Großfamilie, in der Regeln und Grenzen eine besondere Bedeutung hatten.

Die 𝐒𝐭𝐫𝐮𝐤𝐭𝐮𝐫𝐞𝐥𝐥𝐞 𝐅𝐚𝐦𝐢𝐥𝐢𝐞𝐧𝐭𝐡𝐞𝐫𝐚𝐩𝐢𝐞 wurde ab Mitte der 1960er entwickelt. Unterstützung erfuhr Minuchin von Jay Haley, dem Begründer der Strategischen Familientherapie. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes stehen die Begriffe Hierarchie, Regeln, Subsysteme und Grenzen: Ziel der Therapie ist die Veränderung der dysfunktionalen Struktur der Familie. Diese Veränderung zeigt sich in einem hilfreicheren Zusammenwirken der einzelnen Subsysteme sowie darin, dass klare Grenzen nach Innen und nach Außen gesetzt werden. Klare Grenzen sollten weder zu rigide sein, weil damit die Gefahr der Isolierung einhergeht, noch sollten sie verschwommen sein, weil dies zu einer Verstrickung führen kann. Dies ist insbesondere beim elterlichen Subsystem von besonderer Bedeutung.

Heute mag die Strukturelle Familientherapie als ein Ansatz der Kybernetik erster Ordnung für einige Systemiker als überholt erscheinen, dennoch hat Minuchin das systemische Denken und das Verständnis des Familiensystems nachhaltig geprägt.

Die von ihm entwickelte 𝐌𝐞𝐭𝐡𝐨𝐝𝐞 𝐝𝐞𝐫 𝐒𝐲𝐬𝐭𝐞𝐦𝐳𝐞𝐢𝐜𝐡𝐧𝐮𝐧𝐠 ist eine gängige Visualisierungsmethode in der systemischen Beratung. In einigen Bereichen war Minuchin seiner Zeit voraus: Während vor der kybernetischen Wende das heute zentrale Konzept der Ressourcenorientierung noch weitgehend unbekannt war, glaubte Minuchin fest an die Ressourcen und Fähigkeiten der Familien.
Herausragend war seine Fähigkeit, die Dynamiken der Familien schnell zu erfassen und eine 𝐀𝐧𝐬𝐜𝐡𝐥𝐮𝐬𝐬𝐟ä𝐡𝐢𝐠𝐤𝐞𝐢𝐭 zu den einzelnen Familienmitgliedern herzustellen. Dazu nutzte er sein schauspielerisches Talent und intervenierte mal als netter Onkel, mal als Zauberer oder als dominante Autorität. Auch sein 𝐇𝐮𝐦𝐨𝐫 war ein wichtiges Medium, um den Familien aus ihren problemerzeugenden Mustern zu helfen.

Eine wichtige Ressource Minuchins war 𝐬𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐅𝐫𝐚𝐮 𝐏𝐚𝐭𝐫𝐢𝐜𝐢𝐚, mit der er 64 Jahre verheiratet war. Sie war eine in Amerika bekannte Entwicklungspsychologin und beeinflusste viele seiner Veröffentlichungen. In seinen familientherapeutischen Trainings entwickelte sich damals schon die Idee von 𝐕𝐢𝐝𝐞𝐨-𝐁𝐞𝐨𝐛𝐚𝐜𝐡𝐭𝐮𝐧𝐠𝐞𝐧 𝐮𝐧𝐝 𝐋𝐢𝐯𝐞-𝐒𝐮𝐩𝐞𝐫𝐯𝐢𝐬𝐢𝐨𝐧𝐞𝐧, die bald zum Standard wurden.

Wer hat’s erfunden…? Entdecke die Pionier:innen der systeminschen Beratung! Diesmal: Gregory Bateson

 

𝘋𝘪𝘦 𝘚𝘺𝘴𝘵𝘦𝘮𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦 𝘉𝘦𝘳𝘢𝘵𝘶𝘯𝘨 𝘪𝘴𝘵 𝘨𝘦𝘱𝘳ä𝘨𝘵 𝘷𝘰𝘯 𝘦𝘪𝘯𝘦𝘳 𝘝𝘪𝘦𝘭𝘧𝘢𝘭𝘵 𝘢𝘯 𝘋𝘦𝘯𝘬𝘦𝘳:𝘪𝘯𝘯𝘦𝘯. 𝘐𝘯 𝘶𝘯𝘴𝘦𝘳𝘦𝘳 𝘚𝘦𝘳𝘪𝘦 𝘴𝘵𝘦𝘭𝘭𝘦𝘯 𝘸𝘪𝘳 𝘳𝘦𝘨𝘦𝘭𝘮äß𝘪𝘨 𝘦𝘪𝘯𝘪𝘨𝘦 𝘥𝘦𝘳 𝘎𝘳ü𝘯𝘥𝘦𝘳𝘷ä𝘵𝘦𝘳 𝘶𝘯𝘥 -𝘮ü𝘵𝘵𝘦𝘳 𝘷𝘰𝘳.

𝐆𝐫𝐞𝐠𝐨𝐫𝐲 𝐁𝐚𝐭𝐞𝐬𝐨𝐧 (1904–1980) kann aufgrund der Bandbreite seiner Arbeitsfelder (Anthropologie, Biologie, Kybernetik, Ökologie, Philosophie, Linguistik, Kommunikations-, Lern- & Erkenntnistheorie) nicht einer Disziplin zugeordnet werden. Er gilt heute als Schlüsselfigur der Sozialwissenschaften des 20. Jahrhunderts und als wichtigster Vordenker systemischen Denkens.

Zu seinen Schülern zählten Virginia Satir und Paul Watzlawick. Bateson spielte auch eine zentrale Rolle bei den Macy-Konferenzen, in denen die Grundlagen der Systemtheorie und der Kybernetik entwickelt wurden. Seine Arbeiten haben zahlreiche Theorien und Ansätze inspiriert. Dazu zählen bspw. die Systemtheorie (Luhmann), die Kommunikationstheorie (Watzlawick) und auch die Neuro-Linguistische Programmierung (NLP).

Seine zahlreichen Arbeiten münden nicht in eine umfassende Theorie, sondern etablieren eine spezifische Art des Denkens, die den Leser zum selbständigen Denken anregen soll.
Zum Fundament dieses Denkens zählt seine Kommunikationstheorie (1951), in welcher der Begriff der Metakommunikation eine besondere Bedeutung hat. Bateson verwendet diesen Begriff über das heutige Verständnis (Kommunikation über Kommunikation) hinausgehend: In jeder Kommunikation werden primär Beziehungsmuster verhandelt.

Hierbei spielt der Kontextbegriff eine wichtige Rolle, mit dem sich Bateson stärker auf die Relationen zwischen den Individuen fokussiert und somit ein zentrales Prinzip des heutigen Denkens vorbereitet: die Konzentration auf die Muster, Beziehungen und Verhaltensweise der Systemmitglieder. Die batesonsche Kommunikationstheorie wird insbesondere von Watzlawick weiterentwickelt und einem breiteren Publikum verstehbar gemacht.

Im Rahmen der Untersuchungen zu den Paradoxien der Kommunikation hat Bateson die Doppelbindungstheorie entwickelt. Eine Double-bind-Situation ist eine Konstellation, in der eine Person mit zwei widersprüchlichen Botschaften / Regeln konfrontiert ist und diese weder ignorieren noch thematisieren darf.

Auch seine theoretischen Überlegungen im Bereich der Ökologie sind in Zeiten der Klimakrise aktueller denn je. So warnt Bateson davor, dass der Mensch seine zirkuläre Eingebundenheit in das Ökosystem nicht versteht, wodurch dramatische Trugschlüsse und kontraproduktive Handlungen wahrscheinlich werden.


#GregoryBateson #Systemtheorie #Kommunikationstheorie

#kurz&knapp: AMBIGUITÄTSTOLERANZ

💡 In unserer Reihe #KurzundKnapp konzentrieren wir uns auf die systemische Beratung. Wir erläutern grundlegende Begriffe & Basics in prägnanten Texten mit bis zu 3000 Zeichen.

💡 Ambiguitätstoleranz

Es ist die Fähigkeit:

✔️ Unsicherheit
✔️ Mehrdeutigkeit oder
✔️ Unklarheit
ohne Anzeichen von Stress oder Unwohlsein zu akzeptieren.

Menschen mit hoher Ambiguitätstoleranz (sie wird auch Unsicherheits- oder Ungewissheitstoleranz genannt) können leichter mit unvorhersehbaren Situationen umgehen.

💡 Es ist quasi die Gelassenheit gegenüber dem Unerwarteten!
Dies ist eine wichtige Eigenschaft, wenn man sich an eine neue Umwelt anpassen muss.

Psychologische Sicherheit – oder: Das Fundament funktionierender Teams

 

  1. Was ist Psychologische Sicherheit?

 

Die Harvard-Professorin Amy Edmondson hatte in einem Podcast-Interview mit David Green (2020) dazu folgende Antwort gegeben:

„Es ist die gemeinsame Überzeugung, mich in einer Umgebung zu befinden, die geeignet dafür ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Beispielsweise, nach Hilfe zu fragen, einen Fehler einzugestehen oder auch ein Thema/Projekt kritisch zu hinterfragen.
Nicht gemeint sei eine Wohlfühlumgebung, in der sich alle dauernd auf die Schulter klopfen.

David: „Also eine Umgebung zu schaffen, den Mund aufzumachen?“

Amy: „Genau das. Leichter gesagt als getan“.

(Amy Edmondson ist Autorin von sieben Büchern und mehr als 75 Artikeln und Fallstudien. Am bekanntesten ist sie für ihre Arbeiten zum Thema Psychologische Sicherheit).

Hier geht es zum Interview.

https://www.myhrfuture.com/digital-hr-leaders-podcast/2020/7/13/how-to-create-psychological-safety-at-work

 

In der Welt des modernen Managements ist der Begriff „Psychologische Sicherheit“ zu einem Eckpfeiler für die Entwicklung eines gesunden und produktiven Arbeitsklimas geworden.

Doch was verbirgt sich hinter diesem Konzept?

Psychologische Sicherheit ist ein Konzept, das sich auf das emotionale Wohlbefinden und die Zufriedenheit von Menschen im Arbeitsumfeld bezieht. Es beschreibt eine Atmosphäre, in der Mitarbeiter sich sicher und unterstützt fühlen und frei von Angst, Vorurteilen und Diskriminierung sind.

Es beschreibt die Qualität einer Arbeitsumgebung, in der Mitarbeiter sich trauen sich zu äußern und Risiken einzugehen, ohne Furcht vor Nachteilen oder Marginalisierung zu haben.

Psychologische Sicherheit ist nicht zu verwechseln mit einem Komfortraum, in dem Konformität und Selbstzufriedenheit herrschen, sondern ist vielmehr ein dynamischer Zustand, in dem Wachstum und Innovation gedeihen können.

Psychologische Sicherheit bedeutet, laut Amy C. Edmondson, NICHT:

  • dass wir immer nett zueinander sind
  • dass es als Synonym für Extrovertiertheit gilt
  • dass es die Leistungsbereitschaft und Standards senkt
  • dass es nur ein anderes Wort für Vertrauen ist

 

  1. Psychologische Sicherheit ist wichtig.

 

Warum sollten wir der Psychologischen Sicherheit Beachtung schenken?

Die Antwort liegt in ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Leistung und das Wohlbefinden der Teammitglieder.

Ein psychologisch sicheres Umfeld fördert:

  • eine positive Arbeitsatmosphäre
  • engagiertere Mitarbeiter
  • höhere Effizienz und Effektivität
  • eine Kultur, die Kreativität und Innovation begünstigt
  • eine gesteigerte Bereitschaft zu Lernen und zur persönlichen Entwicklung

Leider ist in vielen Unternehmen das Gegenteil der Fall. Angst und Unsicherheit dominieren, was dazu führt, dass Mitarbeiter zögern, ihre Meinung zu äußern oder Kritik zu üben. Dies kann zu einer Kultur der Stille führen, in der wichtige Informationen und Ideen unausgesprochen bleiben.

Arbeiten in einem psychologisch unsicheren Umfeld bedeutet, dass die Person erst einmal die Reaktion oder die Konsequenz einschätzt. Die Person hat das Gefühl, sich auf sehr dünnem Eis zu bewegen. Er/sie geht kein (?) Risiko ein.

Der Gedanke, dass die Person sich dadurch ins schlechtes Licht rückt, oder als Low-Performer angesehen wird, oder in Ungnade bei den Kollegen:innen, oder dem/der Chef:in fällt, steigt, wenn keine psychologische Sicherheit gewährleistet wird.

➡️ ANGST lässt Mitarbeiter:innen verstummen; Menschen mutieren zu Business-Chamäleons. Man wechselt seine Erscheinung, je nach Kontext.

💡 Patrick Lencioni hat ein Buch mit dem Titel: „The Five Dysfunctions of a Team“ geschrieben. Dort beschreibt er die Dysfunktionen, die Teams an effektiver Zusammenarbeit hindern. (Quelle: Lencioni, The Five Dysfunctions of a Team, a Leadership Fable, Jossey Base, 1. Edition, 2002, S. 188-189)

 

3.   Schaffung von Psychologischer Sicherheit?

Das Entstehen von Psychologischer Sicherheit ist ein kollektiver Prozess, der sich auf das gesamte Team und nicht nur auf einzelne Individuen erstreckt

Es ist das Ergebnis eines reziproken Vertrauensverhältnisses, das durch offene Kommunikation, gegenseitige Unterstützung und ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit genährt wird.

Die Art und Weise wie Teammitglieder miteinander interagieren spielt eine entscheidende Rolle dabei, ob ein Arbeitsumfeld als psychologisch sicher wahrgenommen wird oder nicht. Das Gefühl von Vertrauen und Zugehörigkeit zu einer Gruppe, ermöglicht den Mitgliedern, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren. Es ist ein wichtiger Faktor für die effektive Zusammenarbeit.

Dabei ist vor allem die Haltung und das Verhalten der Führungskräfte von zentraler Bedeutung.

➜ Denn Führungskräfte fungieren als Vorbilder.

Auch Führungskräfte sollten qualifiziert angeleitet werden. Entweder in Form von Führungsleitbildern oder -grundsätzen oder in speziellen Trainings.

Dies schafft die Rahmenbedingung für Psychologische Sicherheit.

➜ Wie eine Führungskraft mit bestimmten Situationen umgeht, dient als Wegweiser für die Mitarbeitenden.

 

Gute Führungskräfte zeichnen sich unter anderem dadurch aus:

  • Empathie
  • dass sie anderen Meinungen Respekt entgegenbringen und offen für Diskussionen sind
  • aufrichtiges Zuhören
  • dass sie ein Umfeld schaffen, in dem konstruktives Feedback geschätzt wird und ohne negative Konsequenzen bleibt
  • dass sie Fehler als Lernmöglichkeiten und nicht als Katastrophen behandeln
  • dass sie die Stärke der Vielfalt erkennen und das Einbringen von Ideen fördern
  • eigenes Nichtwissen eingestehen
  • sich selbst zurücknehmen und damit auch Mitarbeiter:innen dazu ermutigen, Gleiches zu tun

Grundvoraussetzung für all das ist die Wertschätzung der Mitarbeiter:innen – unabhängig von der Hierarchiestufe der Führungskraft.

Letztendlich ist es ein ausgewogenes Maß an Einfühlungsvermögen, authentischem Engagement und einer proaktiven Haltung, die eine Führungskraft auszeichnet, die Psychologische Sicherheit innerhalb ihres Teams fördert.

 

Fazit: Indem wir Psychologische Sicherheit als grundlegenden Wert in unseren Arbeitskulturen verankern, öffnen wir die Türen für ein Umfeld, in dem Mitarbeiter:innen und Unternehmen gemeinsam wachsen und erfolgreich sein können.

Wichtig zu wissen: Psychologische Sicherheit besteht nicht nur aus einer Ebene, sie ist „nur“ das Fundament. Sie macht sich nämlich in verschiedenen Abstufungen bemerkbar und entwickelt sich dadurch immer weiter.

Dazu gibt es eine interessante Lektüre von Timothy R. Clark: „The 4 Stages of Psychological Saftey“. (Quelle: Timothy R. Clark, The 4 Stages of Psychologial Saftey: Defining the Path to Inclusion an Innovation, Berett-Koehler Publishers Inc., Illustrated Edition, 2020)

 

  1. Wie kann Teamcoaching dabei unterstützen?

 

  1. Bewusstsein schaffen: Ein Team-Coach hilft, das Bewusstsein für Psychologische Sicherheit innerhalb eines Teams oder einer Organisation zu erhöhen. Dies umfasst das Verständnis, was dies bedeutet und warum sie wichtig ist.
  2. Fähigkeiten entwickeln: Team-Coaching ermöglicht in Einzel- oder Gruppenschulungen, Fähigkeiten wie empathische Kommunikation, aktives Zuhören und konstruktive Feedback-Methoden zu entwickeln, die wesentlich zur Förderung einer sicheren Umgebung beitragen.
  3. Persönliches Wachstum: Team-Coaching baut Selbstbewusstsein und Resilienz auf. Dies hilft, sich in der Arbeitsumgebung sicherer zu fühlen und offen zu kommunizieren.
  4. Vertrauensbildung: Team-Coaching fördert die Entwicklung von Vertrauen innerhalb von Teams.
  5. Konfliktlösung: In einem Teamcoaching können Strategien bereitgestellt werden, um effektiv mit Konflikten umzugehen. Das Lösen von Problemen in einer respektvollen und konstruktiven Weise ist ein Schlüsselelement, um eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen und aufrechtzuerhalten.
  6. Kulturwandel initiieren: Teamcoaches können als Katalysator für Veränderungen in der Unternehmenskultur dienen, indem sie Führungskräfte dabei unterstützen, Verhaltensweisen zu modellieren und somit die psychologische Sicherheit fördern.

#kurz&knapp: AKTIVES ZUHÖREN

💡In unserer Reihe #KurzundKnapp konzentrieren wir uns auf die systemische Beratung. Wir erläutern grundlegende Begriffe & Basics in prägnanten Texten mit bis zu 3000 Zeichen.

➡️ 𝐀𝐤𝐭𝐢𝐯𝐞𝐬 𝐙𝐮𝐡ö𝐫𝐞𝐧

Im Kern geht es darum, nicht nur passiv zuzuhören und den anderen sprechen zu lassen, sondern weiterhin aktiv zu bleiben, auch wenn du in dem Moment nicht selbst redest.
Durch aktives Zuhören tauchst du nicht nur in die Worte, sondern auch in die Welt des Sprechers ein. Du lernst, Signale zu erkennen, Fragen zu stellen und empathisch zu reagieren.

💡 Warum ist das wichtig?

Wahre Kommunikation geht weit über das gesprochene Wort hinausgeht. Du signalisierst aufrichtiges Interesse und zeigt auch Verständnis auf einer emotionalen Ebene. Das aktive Zuhören ist ein zentrales Merkmal der klientenzentrierten Therapie von Carl Rogers.

Du erreichst damit ein höheres Maß an Vertrauen.
Du zeigst damit: Ich nehme dich ernst, lasse mich nicht ablenken und gehe auf dich ein. Oft wird die Macht des Zuhörens – gemeint ist hier das wirkliche, aufmerksame, authentisch interessierte Zuhören – unterschätzt.

❤️ Kurz gesagt, aktives Zuhören ist nicht nur Höflichkeit, es ist Verbindung.