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Machtworte – ein Beitrag von Theresia Volk

Einfach nicht mitmachen bei all den Machtspielchen? Um im eigenen Arbeitsfeld wirksam zu werden ist es unabdingbar, Macht zu analysieren und Machtkompetenz aufzubauen. Wie das seriös gelingen kann, beschreibt Theresia Volk in ihrem Beitrag.

  • „Es geht immer nur um Macht. Mit meinen inhaltlichen Anliegen dringe ich gar nicht mehr durch.“
  • „Diese Machtkämpfe verhindern jede Entwicklung, die setzen noch das Überleben der Einrichtung aufs Spiel.“
  • „Es ist absurd, was da jetzt als Kompromiss ausgehandelt wurde, bar jeder Vernunft.“
  • „Da müsste mal jemand ein Machtwort sprechen. So kann es nicht weitergehen.“
  • „Ich weiß wirklich nicht, wie der es geschafft hat, an diese Position zu kommen – mit Sachkenntnis jedenfalls nicht.“
  • „Ich sehe gar nicht ein, warum ich hier wieder den Kürzeren ziehen soll. Dieses Mal nicht!“
  • „Ober sticht Unter.“
  • „Wenn du dich immer brav an die Regeln hältst, kannst du vielleicht mitspielen, aber du wirst nie als Gewinnerin vom Feld gehen.“
  • ,Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles“, sagt schon Rilke.“
  • „Eigentlich will ich gar nicht mitmachen bei diesen Machtspielchen.“
  • „Als Beraterin bin ich da eh außen vor.“
  • „Wenn du dich da mal nicht täuschst!“

Beziehung vor Sache: Ein Paradigmenwechsel

Die Regelwelt, an die wir im Kontext von Arbeitswelt, Beruf und Unternehmen denken, ist die der Sachlogik. Unternehmen – zumal im privatwirtschaftlichen Sektor – gelten nach wie vor als Hort der Rationalität, in denen zählt, was funktioniert, und in denen die Grundrechenarten die verlässliche Basis aller Entscheidungen sind. Menschliches, Emotionales und andere Irrationalitäten sind etwas fürs private Glück oder Leid. Im Büro hat die Objektivität Priorität.

Nach wie vor hält sich der Irrglaube, dass das sachlich bessere Argument auch das ausschlaggebende sein müsse. Und dass ein Fehler vorliege, wenn das bessere Argument nicht zieht. Was aber verhältnismäßig häufig vorkommt. So sind die Beschwerden laut, wenn ganz offensichtlich eine andere Ebene, eine nicht-sachliche, zum Vorschein kommt: „Macht“.

Dieser Einsatz für seine persönlichen (unsachlichen) Interessen ist keineswegs eine Ausnahme, sondern die Regel. Das hat Gründe. Dass und wie diese Ebene konkret funktioniert, wird wenig thematisiert und beleuchtet. Der Ärger stößt immer wieder auf, aber die Reflexion darüber oder gar ein kundiger und selbstbewusster Umgang mit der Macht und den Macht-„Habern“ ist selten. Meist wird auf den vorhandenen Instinkt verwiesen, den man und frau habe oder eben nicht. Oder es ist die Rede von fiesen Machenschaften am Rande der Legalität, die gestoppt werden müssten, und auf die sich niemand, der seriös arbeitet und auf ethische Integrität Wert legt, einlassen darf. Dass selten nüchtern (sachlich!) über Macht und ihre Hintergründe, ihre Funktionsweise gesprochen wird, ist selbst schon ein machtpolitisches Phänomen und hat vielerlei Gründe, wie sich zeigen wird.

Einer davon ist: Machtpolitik wird gelebt, aber nicht gelehrt; gelehrt wird ausschließlich Fachwissen. Jede Ausbildung, jedes Studium, jeder Berufseinstieg beginnt mit der Vermittlung der fachlichen, der professionellen Kenntnisse und Fertigkeiten. Wie versorge ich eine Wunde medizinisch korrekt? Wie programmiere ich eine fehlerfreie Software für einen Rasenmäher? Wie unterrichte ich didaktisch fundiert eine Fremdsprache? Wie fälle ich sicher einen Baum?

Das ist die erste Logik, auf die wir uns in der Arbeitswelt beziehen; und es scheint, sie bleibt lange prägend. Auf dieser ersten Ebene geht es darum, Sachen zu fertigen und Lösungen zu entwickeln. Hier zählen die beste Idee, die funktioniert, und das notwendige Know-how, sie zu entwerfen und zu bauen. Hierauf zielt die weitverbreitete Sehnsucht unter Beschäftigten, wenn sie einfach nur in Ruhe arbeiten wollen. Der Lohn der Mühe sind ein konkretes Ergebnis und die Erfahrung von Wirksamkeit.

Die zweite Lektion, die gelernt und gelehrt wird, führt weg von der einfachen Arbeitsebene – und sei diese noch so anspruchsvoll – hin zur Koordination derselben. Auf dieser Ebene wird Komplexität gemanagt, werden Prozesse gesteuert, synchronisiert, standardisiert oder überhaupt erst einmal definiert. (Multi-)Projekte werden aufgesetzt, Roadmaps angelegt und nachgehalten. Hier tauchen die ersten und bekannten Dilemmata auf, die nicht mit dem erworbenen Fachwissen der ersten Ebene gelöst werden können: zwischen Qualität und Kosten, zwischen Deadline und Änderungsanforderung, zwischen Erwartungs-, Informations- und Kontrollmanagement.

Interessen sind grund-legend

Der entscheidende Paradigmenwechsel führt nun aber zu einer weiteren, nämlich zur politischen, zur machtpolitischen Ebene: Es geht darum, Menschen zu überzeugen, Macht und Machtspiele zu gewinnen, sich und seine Ideen gegen Konkurrenz durchzusetzen.

Hier beginnt der Bereich der Interessen, der Bedürfnisse und Ängste von Menschen. Der wird nicht gelehrt, sondern erfahren. Oft als störend, als notwendiges Übel – als etwas Uneigentliches. Es ist erstaunlich, wie selbst erfahrene Führungskräfte diese machtpolitische Dimension im alltäglichen Business erstens immer wieder übersehen, zweitens lange versuchen, sie zu ignorieren oder drittens sie zu verharmlosen: als das störende „Zwischenmenschliche“, welches die Sache, das Eigentliche, immer mal wieder ins Stocken bringt. Auch die Rede von den Macht-Spielen, die da gespielt werden, verweist auf den Bereich des Unernstes, der unangemessen sei für seriöses Arbeiten.

Faktisch dürfen wir diese Ebene nicht nur nicht vergessen oder verniedlichen, sondern müssen das Ranking komplett umdrehen. Die Berufswelt steht mitnichten auf dem Sachfundament, sondern ihre Basis ist die soziale Ebene, auf der Menschen sich überzeugen, gewinnen, verführen und losschicken lassen, etwas zu tun oder zu erlauben. Dort, wo Macht über Menschen und der Einfluss auf sie die Motoren und Gestaltungsgrößen sind. Macht verstehe ich hier in einem ganz allgemeinen Sinn als „das Hervorbringen beabsichtigter Wirkungen“, wie Bertrand Russell treffend formulierte („power may be defined as the production of intended effects“ (Russell, 1938/1947, S. 32).

Das Buch „Spielen, um zu gewinnen“ handelt von der Macht über Menschen, wohlwissend, dass die Macht über die Materie durch die enormen Schritte in Wissenschaft und Technik die moderne Gesellschaft erst zu dem gemacht hat, was sie ist – und sie natürlich noch weiter prägen und verändern wird. Die Macht aber, derer es bedarf, um Menschen zu bewegen, zu inspirieren, zu begrenzen, ist von anderer Art; sie führt auf die Ebene der persönlichen Interessen. Und diese sind grundlegend. Sie legen den Grund für alles Weitere, was in der Arbeitswelt passiert.

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Auszug aus: Spielen, um zu gewinnen: Macht und Wirksamkeit in Organisationen (Beraten in der Arbeitswelt)

Theresia Volk berät Top-Manager aus ersten Adressen in Industrie und Dienstleistung. Als persönliche Beraterin, Workshop-Leiterin und konzeptionelle Ideengeberin begleitet sie Personen und Unternehmen bei ihren Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen. Mehr als die Hälfte der Dax-Unternehmen gehört zu ihrem Kundenkreis, Beratungsorganisationen ebenso wie innovative Mittelständler. Auf Augenhöhe mit Entscheidern stärkt sie deren strategische und persönliche Wirkungskraft. Als Autorin und Rednerin setzt sie nachhaltige Impulse in aktuellen Fragen der Arbeitswelt. 2011 war sie nominiert für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis.